Die ersten langhaarigen Katzen in Europa waren Angora's, heute unter dem Namen Türkisch Angora bekannt. Bereits im 16. Jahrhundert wurden auf den alten Handelsstraßen, die den vorderen Orient mit Mitteleuropa verbanden, mit den Handelswaren auch einige langhaarige weiße Katzen mitgebracht. Diese hatten kleine Köpfe, große "Stechohren", und lange gerade Nasen. In den Burgen der Adligen und an den Höfen der Fürsten fanden diese außergewöhnlichen Katzen großes Interesse. Sie wurden auf Segelschiffen mitgeführt und kamen somit in alle Welt. Über den Ärmelkanal kamen sie nach England, wo sie "Französische Katzen" genannt wurden.
In alten Beschreibungen wurden besonders die blauäugigen wegen ihres ruhigen und unerschütterlichen Wesens gerühmt, was nicht weiter verwunderlich ist wenn man bedenkt, dass sie sehr wahrscheinlich taub waren. Auch George Louis Lederc, Graf von Buffon (1707 -1788), beschrieb 1756 in seiner "Naturgeschichte", welche 40 Bände umfaßte, so eine schlanke, zierliche Angora mit einem langen, wellenden Fell.
Das Ursprungsgebiet der Angora war der kleinasiatische Raum, der zwischen dem Schwarzem Meer und dem östlichem Mittelmeer in Form einer nach Westen vorspringenden Halbinsel das Übergangsland zwischen Europa und Asien bildet. Sie stammt aus dem sog. Gruisischem Gebirge, einer Hochebene südlich des Kaukasus. Dort lebten vor langer Zeit die Armenier, die 301 n. Chr. den ersten christlichen Staat bildeten. Während des ersten Weltkrieges wurde dieses Gebiet von Cemal Mustapha und seinen Jungtürken annektiert.
Doch zurück zu unserer Türkisch Angora. Nach der großen Beliebtheit, die ihnen im Mittelalter widerfuhr, trat um die Jahrhundertwende eine große Änderung ein. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts waren auf Ausstellungen fast keine rassereinen Angora's mehr zu sehen. Wer Lichtbilder der allerersten Perserkatzen aus dieser Zeit sieht, wird die große Ähnlichkeit mit den Angora's bemerken. Diese war so stark, daß die Perserkatzen jahrelang fälschlicherweise als Angorakatzen bezeichnet wurden. Erst später wurden die Perser in der Richtung der heutigen Rasse gezüchtet. Die Perserkatzen wurden damals in kürzester Zeit so populär, daß die ursprünglichen, viel schlankeren und eleganteren Angora's in England und später auch in den USA verloren gingen und sowohl im Ausland als auch im Ursprungsland vom Aussterben bedroht waren.
Durch das Vorbild des Propheten Mohammed wurden in der osmanischen Welt die weißen Angora's geachtet und als Nationalkatzen geehrt. Einer Legende nach liegt Mohammeds Lieblingskatze Muezza in tiefem Schlaf auf einem Mantelzipfel des Propheten, als dieser plötzlich dringend abberufen wird. Da er die Ruhe seines Lieblingstieres nicht stören will, trennt er mit einem Zug seines scharfen Schwertes den Mantelteil ab und verläßt dann leise, sich zärtlich umsehend, den Raum, denn er liebte Katzen sehr.
Einer weiteren Legende nach soll es unter ihnen Wunschkatzen geben. Wenn man einen dringenden Wunsch erfüllt haben möchte, nimmt man so eine Katze auf den Schoß und flüstert ihr den Wunsch ins Ohr. Dann gibt man ihr reichlich Leckerbissen und wenn diese von der Katze genommen werden, dann wird auch der Wunsch erfüllt. Aber nur, wenn es auch eine Wunschkatze ist das weiß man aber nicht mit Sicherheit, weil es nämlich Unglück bringt, wenn einer darüber spricht, daß die Katze seinen Wunsch erhört hat.
Zudem soll einem Volksglauben nach Mustapha Kemal Atatürk, welcher am 10.11.1938 starb, eines Tages zurückkommen und zwar in der Gestalt einer weißen Türkisch Angora mit einem blauen und einem orangefarbenen Auge. Aus diesem Grund werden auch ganz besonders die odd-eyed-farbenen Katzen in der Türkei verehrt.
Dabei ist noch anzumerken, daß es in der Türkei laut den Türken nur Ankara kedisi (Angorakatzen), das sind blau-äugige Tiere, oder Van-kedisi (=Vankatzen), das sind verschieden-äugige Tiere, gibt. Ob diese rein weiß, Bicolor oder Van- Zeichnung haben, ist nicht ausschlaggebend. Wichtig ist einzig und allein die Augenfarbe. Das ist auch der Grund, warum sich in der Türkei die beiden türkischen Katzenrassen immer mehr vermischen...und sie werden immer seltener.
Um die Türkisch Angora vor dem völligen Aussterben zu bewahren, wurde im 1939 letzten Augenblick eine Rettungsaktion veranlasst. Die Tiergärten Ankaras, Izmirs und Istanbuls namen Ankara kedisi von Privatpersonen auf und begannen, mit diesen ein strenges Zuchtprogramm für eine reinweiße Türkisch Angora durchzuführen. Mit Tieren aus diesen Zuchten wurden später sowohl in den USA als auch in Europa neue, reinblütige Stämme aufgebaut.
1962 bekam der amerikanische Oberst Walter Grant vom Gouverneur Ankaras die Erlaubnis, zwei weiße Angora's in die USA mitzunehmen. Das war ein sehr wichtiges Ereignis, denn seit 1899 waren im Westen keine Angora's mehr ausgestellt worden. Diese beiden wurden nun die ersten "offiziellen" Angora's außerhalb der Türkei. Es waren Yildizcek, eine weiße orange-äugige Kätzin, und Yildiz, ein weißer odd-eyed Kater. 1966 erhielt er noch ein zweites Pärchen, die Kätzin Mavis und den Kater Yamaq, beide ebenfalls weiß.
Im Jahre 1954 erhielt durch die Vermittlung eines in der Türkei stationierten Armee-Angehörigen Mrs. Lyn Rachel Peirce in Rhode Island die weiße Angorakatze Pucette Michelle, welche odd-eyed war. Später gelang es ihr, noch einige weiße Türkische Angora's aus der Erhaltungszucht des Tiergartens in Istanbul für ihren Kenlyn-Zwinger zu bekommen. Nach ihrem Tod übernahm Mrs. Eleine Gesel diese Tiere für ihren No-Ruz-Zwinger. Zu gleicher Zeit wurden auch farbige Türkisch Angora aus der Türkei importiert, so z.B. bekam auch Mrs. Gisela Stoschek von einem in New York lebenden Türken eine weiße Kätzin für ihren Palmyra-Zwinger geschenkt und später u.a. noch einen schwarzen Kater und eine schwarz-silber-getigerte Kätzin.
In dieser Zeit hat auch in Europa die Rasse wieder ihren Neuanfang gemacht, z. B. 1959 in Schweden und in den 70er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Für die Zucht in Deutschland wurden sowohl Tiere aus der Türkei als auch aus den USA importiert.
Jeder Züchter sollte bestrebt sein, diese sehr alte Rasse auch weiterhin reinblütig zu erhalten und nicht Tiere anderer Rassen zur angeblichen Blutauffrischung oder Erweiterung der Farbpalette einzukreuzen, welche aber doch in Wahrheit eine Verfälschung und somit letztendlich die Vernichtung dieser ursprünglichen Rasse wären. Das angestrebte Ziel der Reinerhaltung, welches nur mit großen Mühen und auch hohen finanziellen Kosten verbunden ist, würde zerstört werden. Die Zukunft der Reinzucht liegt in der Selektion mit reinerbigen Türkisch Angora's.
Rassestandard der Türkisch Angora von 1989:
Allgemeinerscheinung: Fest, stabil, erweckt den Eindruck von Grazie und fließenden Bewegungen.
Kopf: Klein bis mittel, keilförmig. Oben breit, zum Kinn leicht spitz zulaufend. Kater dürfen Kinnbacken haben.
Ohren: Breit am Ansatz, lang und spitz mit Haarbüscheln im Ohr bzw. aus dem Ohr ragend. Hoch auf dem Kopf angesetzt, offen.
Augen: Groß und mandelförmig, nach oben leicht schräg gestellt.
Nase: Mittellang, leicht geneigt, kein Knick, kein Stop.
Hals: Mittellang, schlank und anmutig. Je nach Alter mit Halskrause.
Kinn: Leicht abgerundet, von der Spitze bis zur Nase eine senkrechte Linie.
Kiefer: Spitz zulaufend.
Körper: Rumpf schlank, anmutig und geschmeidig. Brust leicht ausgebildet (eckig). Hinterteil etwas höher als das Vorderteil. Feinknochig.
Beine: Lang. Hinterbeine länger als die Vorderbeine.
Pfoten: Klein, rund und zierlich mit Büscheln zwischen den Zehen.
Schwanz: Bei den weiblichen Tieren mittelgroß, etwas größer bei den männlichen. Lang und spitz zulaufend. Breit am Ansatz, schmal am Ende und voll
behaart. Er wird niedriger als der Körper getragen, aber nicht schleppend. Bei
Bewegung wird der Schwanz über dem Körper waagerecht getragen. Manchmal berührt er dabei fast den Kopf.
Fell: Das Körperfell ist mittellang, am Kragen länger und der Schwanz ist lang behaart. Das Fell ist seidenweich, am Körper glatt anliegend, fühlt sich fast kühl an und schimmert. Am Bauch ist es leicht wellig. Die Haare sind sehr fein, keine Unterwolle! Der Kragen ist im ersten Jahr noch nicht fertig. Das Fell ist im Sommer deutlich kürzer.
Haltung: Ausgewogen und anmutig in jeder Hinsicht, geschmeidige Erscheinung.
Disqualifikation: Persertyp, verknoteter oder unregelmäßiger Schwanz.
Farben: Es gibt sie in allen natürlichen Farben, wie z. B. weiß, schwarz, blau, rot, creme, schildpatt sowie in Silber- und Scheckungsvarianten. Auch in ihrer Heimat kommen sie in diesen Farben vor, obwohl wie bereits vorhergehend nur die Weißen als die Echten gelten, und haben besondere Bezeichnungen erhalten, z. B. sarman (= red-tabby), teku (= silber-tabby), kara (= schwarz), sari (= golden), Ankara kedi (= blau-äugig) und Van kedi (= odd-eyed). Die weißen Angora's haben blau, bernstein oder odd-eyed als Augenfarbe. Bei den farbigen Angora's sind Augenfarben von gelb bis grün (bei den Silbernen) erlaubt. Die Farben point, chocolate und lilac gibt es bei der Türkisch Angora nicht. Angora's in diesen Farben sind immer Produkte eine Fremdeinkreuzung bzw. Ergebnisse gezielter Mischverpaarungen, eine Katze ähnlich dem Aussehen der Angora zu schaffen. Ein seriöser Züchter, der diese ursprüngliche Rasse wirklich liebt, sollte deshalb niemals solche Tiere zur Zucht verwenden.
Die Farbe Weiß und die Taubheit: Als die Türkisch Angora in diesem Jahrhundert bei uns wiederentdeckt wurde, durfte sie anfangs nur weiß sein. Dies ist zweifellos in Zusammenhang mit der islamischen Religion zu sehen, bei der weiß die Farbe der absoluten Reinheit ist. Aus diesem Grund wurden in der Türkei nur weiße Tiere miteinander verpaart. Dies hatte zur Folge, daß It. Aussage des Zoodirektors von Ankara 95 % () aller Angora's aus diesen Zuchten taub waren und bei 5 % eine partielle Taubheit bestand. Selbst wenn dies maßlos übertrieben war, ist es erschreckend. Zudem sind an das Weiß-Gen (W) weitere Defekte, wie z. B. Flachkörper, Herzfehler, Haarlosigkeit u.v.m., gekoppelt. Diese Defekte lassen sich aber nur vermeiden, wenn man taube Tiere von der Zucht ausschließt und weiße Katzen nur mit farbigen verpaart. Da das Weiß-Gen eines der dominantesten Gene ist, fallen bei Farbig x Weiß Verpaarungen auch immer weiße Jungtiere, wobei es allerdings auch Ausnahmen gibt. Ferner läßt sich auch die Augenfarbe nicht gezielt züchten, da sie der Wirkung der Polygene unterworfen und somit Zufall ist. Dabei ist die Taubheit auch nicht nur auf blauäugige Tiere beschränkt, sondern sie trifft auch amber- oder odd-eyed Tiere.
Das Wesen der Türkisch Angora
Wenn sie im Kreis einer Familie aufwächst, sucht sie sich eine Bezugsperson aus, der sie sich anschließt und welche dann ihre ganze Liebe und Zuneigung erfährt. Eine typische Schoßkatze ist sie nicht, aber sie liebt es, ständig in der Nähe ihres Menschen zu sein. Von diesem fordert sie dann viel Zuwendung und Liebe. Angora's haben die Angewohnheit, jemanden mit ihren Pfötchen sanft ins Gesicht zu Klopfen und sich auf seine Schulter zu setzen oder sich ganz nahe an den Hals zu kuscheln. Sie geben Küßchen und putzen ihren Menschen, wenn er es erlaubt. Auch knabbern sie am Ohrläppchen, am Kinn oder an der Nase. Sie spielen lange und ausdauernd mit allem und jedem. Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, entpuppen sie sich auch als geschickte Mäusejäger. Zudem sind sie geschickte Kletterer und wahre Springwunder. Hat man eine Angora im Haus, sollte man seine Schränke abräumen und eine Decke oder ein Kissen darauf legen. Dies wird dann der bevorzugte Schlafplatz und Beobachtungsposten in der Wohnung sein. Die Türkisch Angora ist eine sehr soziale Rasse, die man nicht alleine halten sollte. Am besten passt zu ihr eine zweite Türkisch Angora oder eine andere lebhafte Rasse mit orientalischen Genen. Sie verträgt sich gut mit Hunden und ist ein idealer Spielgefährte für Kinder, die sie mit in ihr großes weites Herz schließt. Bei Familienzuwachs weiß sie ganz genau, daß es sich dabei um ein "Junges" ihres Menschen handelt und ist dementsprechend vorsichtig und tolerant.
Pflege
Türkisch Angoras bedürfen bei weitem nicht der umfassenden und komplizierten Pflege wie die Perserkatzen und viele andere halblanghaarige oder kurzhaarige Katzenrassen. Ihr halblanghaariges Fell verfilzt nahezu nicht. Gelegentliches Kämmen und Bürsten vor allem im Fellwechsel, welches sie sehr genießen, genügt. Für eine Ausstellung können sie zwar gebadet werden, aber das soll eine Ausnahme bleiben. Meistens werden sie schon richtig mit Hilfe von etwas Puder sauber, welcher in das Fell einmassiert und wieder sorgfältig ausgebürstet wird. Sollte sie doch ein paar Haare in der Wohnung verteilt haben, so lassen sich diese sehr leicht mit einer Fusselbürste oder einer Kleberolle entfernen, da die Haare keine Widerhaken haben wie die Haare so mancher Kurzhaarkatze.
Am glücklichsten ist diese anhängliche und liebe Katze in ihrem häuslichen Familienkreis inmitten ihrer Menschen, die sie liebt und denen sie vertraut.